6 Teil 8: Anhang
6.1 Methodenreferenzen
6.1.11 Schätzmodelle
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Sinn und Zweck
Schätzmodelle bilden die Grundlage für eine möglichst objektive und realistische Schätzung. Das angewandte Verfahren soll eine nachvollziehbare, zuverlässige und genaue Umfangschätzung und Aufwandsschätzung gewährleisten.
Zuerst müssen die Schätzobjekte festgelegt und möglichst genau charakterisiert werden. Auf der Basis der Strukturierung des Projekts in überschaubare Teilaufgaben sind die Einflusskriterien für die Schätzung zu ermitteln und zu bewerten. Dies betrifft Charakteristiken des Produkts, des Projekts, des Personals und der Technologie. Es existieren sehr viele Schätzmodelle; allerdings ist kaum eines dieser Modelle allgemein gültig, d.h. für unterschiedlichste Projekte, Systeme und Unternehmen einsetzbar und zugleich für jeden dieser Einsatzbereiche auch hinreichend zuverlässig und genau.
Im Folgenden werden einige gängige Methoden kurz vorgestellt:
Schätzformeln
Der Aufwand eines Schätzobjektes wird mit Hilfe von Formeln berechnet, die auf Erfahrungswerten basieren.
- Function Point Analyse: Hierbei ist das betrachtete SW-System in seine Funktionsstruktur zu zerlegen. Für jede dieser Funktionen sind Transaktionen (Eingaben, Ausgaben oder Abfragen) und Files (externer oder interner Datenbestand) zu zählen. Anschließend ist ein Funktionswert auf der Basis der Komplexität der einzelnen Funktionen zu ermitteln. Mit Hilfe von Erfahrungskurven kann aus diesem Funktionswert unter Berücksichtigung von definierten Einflussfaktoren auf den Aufwand geschlossen werden.
- COCOMO: COCOMO wird im Umfeld von SW-Entwicklungen eingesetzt und ermittelt den Aufwand eines Schätzobjektes über eine Formel aus dem geschätzten Umfang und definierten Einflussfaktoren.
- PRICE: PRICE umfasst eine Sammlung von Schätzmethoden, die nicht nur im SW- sondern auch im HW-Umfeld eingesetzt werden können. Die SW-Variante ist COCOMO sehr ähnlich.
Expertenschätzung
Hier sind sowohl der Umfang als auch der Aufwand der Schätzobjekte durch Experten abzuschätzen. Schätzobjekte ergeben sich bei der Umfangschätzung aus der Produktstruktur , bei der Aufwandschätzung aus der Projektstruktur des betrachteten Projekts. Bei jeder Expertenschätzung ist zumindest das 4-Augen-Prinzip zu beachten, das heißt, der für das Schätzobjekt Verantwortliche schätzt den Umfang und Aufwand und stimmt ihn mit einem erfahrenen Experten ab.
Eine spezielle und weit verbreitete Form der Expertenschätzung ist die Schätzklausur, an der 3-7 erfahrene Schätzer beteiligt sind. Diese schätzen unabhängig voneinander den Umfang und Aufwand der Schätzobjekte, diskutieren die Ursachen größerer Abweichungen und einigen sich auf einen gemeinsam getragenen Schätzwert. Wesentliche Annahmen wie Risiken oder Wiederverwendungsgrad des Schätzobjektes sind dabei zu dokumentieren. In der Abschlussdiskussion ist festzulegen, wie offene Punkte geklärt werden. Es kann auch entschieden werden, die Schätzwerte durch eine Plausibilitätskontrolle mit einer anderen Schätzmethode, zum Beispiel COCOMO oder Function Point Methode, zu überprüfen. Die Schätzgenauigkeit hängt bei einer Schätzklausur wesentlich von der Erfahrung der beteiligten Schätzer ab. Es ist deshalb wichtig, den geeigneten Personenkreis auszuwählen.
Prozentsatzmethode
Bei der Prozentsatzmethode ist der Aufwand für einzelne Phasen beziehungsweise Aktivitäten mit Hilfe einer Hochrechnung auf Basis durchschnittlicher oder empfohlener Anteile, so genannter Erfahrungswerte, vom Gesamtaufwand zu bestimmen. Zum Beispiel werden 3% des Gesamtaufwands im Entwicklungsprojekt für das Konfigurationsmanagement benötigt. Die Prozentsatzmethode ist nur für Grobschätzungen geeignet.