1 Teil 1: Grundlagen des V-Modells
1.2 Grundkonzepte im Überblick
1.2.4 Vorgehensbausteine
Das V-Modell enthält über 80 Produkte für die unterschiedlichen Aufgabenstellungen eines Projekts. Kein Projekt wird alle diese Produkte benötigen, sondern sich im Rahmen der projektspezifischen Anpassung (dem Tailoring, siehe dazu Abschnitt Tailoring und projektspezifisches V-Modell) nur einen Teil davon auswählen.
Die Produkte des V-Modells sind dazu in modulare und aufeinander aufbauende Vorgehensbausteine aufgeteilt. Jeder Vorgehensbaustein ist eine eigenständige Einheit und einzeln änder- bzw. erweiterbar. Ein Vorgehensbaustein enthält Produkte (genauer gesagt: Produkttypen), die für eine bestimmte Aufgabenstellung relevant sind und damit inhaltlich zusammengehören. Beispiele sind die Produkte des Projektmanagements oder der Softwareentwicklung.
Wie Abbildung 4 zeigt, enthalten Vorgehensbausteine weitere Inhalte, die in direktem Zusammenhang mit den Produkten stehen. Dazu gehören die hierarchische Gliederung von Produkten, die Abhängigkeiten zwischen Produkten, die Aktivitäten und Arbeitsschritte zur Erarbeitung von Produkten sowie die Verantwortung und Mitwirkung von Rollen.
Abbildung 4: Konzept der Vorgehensbausteine
Hierarchische Gliederung von Produkten: Themen und Disziplinen
Komplexe Produkte können in mehrere Themen gegliedert sein. Ist das Produkt als Dokument repräsentiert, dann entsprechen die Themen in der Regel einzelnen Kapiteln. Dabei handelt es sich aber ausschließlich um einen Gestaltungsvorschlag. Es ist also durchaus zulässig, mehrere Themen in einem Kapitel zusammenzulegen, sofern dieses Kapitel alle geforderten Inhalte abdeckt.
Um den Überblick über die große Anzahl aller Produkte zu behalten, werden diese entsprechend ihrer inhaltlichen Zusammengehörigkeit in Disziplinen zusammengefasst. Beispielsweise umfasst die Disziplin Planung und Steuerung unter anderem die Produkte Projekthandbuch, QS-Handbuch und Projektplan. Die Zuordnung von Produkten zu Disziplinen ist unabhängig davon, in welchem Vorgehensbaustein sich die Produkte befinden. Vorgehensbausteine dienen zur Auswahl der benötigten Produkte beim Tailoring, Disziplinen gliedern Produkte inhaltlich während des Projektverlaufs.
Arten von Produktabhängigkeiten
Einzelne Produkte können voneinander abhängig sein. Eine Produktabhängigkeit beschreibt den Zusammenhang zwischen zwei oder mehreren Produkten. Produktabhängigkeiten treten in mehreren Ausprägungen auf.
- Erzeugende Produktabhängigkeiten besagen, dass ein Produkt festlegt, ob und wann im Projekt andere Produkte erarbeitet werden. Beispielsweise kann im Projekthandbuch festgelegt sein, dass alle zwei Wochen ein Projektstatusbericht erstellt wird. Alternativ könnte im Projekthandbuch aber auch festgelegt sein, dass im Projekt keine Projektstatusberichte erstellt werden. Die Verantwortung für die Ausgestaltung der erzeugenden Produktabhängigkeiten liegt bei dem Projekt selbst.
- Inhaltliche Produktabhängigkeiten beschreiben die inhaltlichen Zusammenhänge unterschiedlicher Produkte. Beispielsweise muss das Projekthandbuch mit dem Projektplan zusammenpassen.
- Strukturelle Produktabhängigkeiten beschreiben die Zusammensetzung eines Produkts aus anderen Produkten und werden für die Beschreibung der Systemstruktur benötig. Beispielsweise kann eine Komponente aus mehreren Modulen zusammengesetzt sein.
- Tailoring-Abhängigkeiten sind im Zusammenhang mit dem dynamischen Tailoring relevant. Sie geben vor, ob und wann sich im laufenden Projekt die Auswahl der Vorgehensbausteine ändert.
Alle vorgestellten Produktabhängigkeiten können sowohl innerhalb eines Vorgehensbausteins als auch zwischen Produkten verschiedener Vorgehensbausteine bestehen.
Initiale und externe Produkte
Produkte tragen im V-Modell zwei unterschiedliche, voneinander unabhängige Kennzeichnungen:
- Als initial werden diejenigen Produkte bezeichnet, die in jedem V-Modell-Projekt immer und genau einmal erstellt werden müssen. Dazu gehören beispielsweise das Projekthandbuch und der Projektplan. Diese Produkte stellen sozusagen die „Minimalausstattung“ an grundlegenden Produkten dar, die in jedem Projekt erforderlich sind. Initiale Produkte werden in der grafischen Darstellung durch ein „I“ gekennzeichnet.
- Als extern werden diejenigen Produkte bezeichnet, die außerhalb des betrachteten V-Modell-Projektes (also nicht durch das Projektteam) erstellt und später an dieses übergeben werden. Die Struktur und die inhaltlichen Anforderungen an die externen Produkte sind jedoch bereits im V-Modell vorgegeben. Ein Beispiel für ein externes Produkt in einem Auftraggeber-Projekt ist das Angebot eines Auftragnehmers (Angebot (von AN)). Externe Produkte werden in der grafischen Darstellung durch ein „E“ gekennzeichnet.
Produkte, die weder initial noch extern sind, werden über mindestens eine erzeugende Produktabhängigkeit abgeleitet. Letztlich hängen also alle Produkte in einem Projekt direkt oder indirekt von den initialen oder externen Produkten ab.
Aktivitäten als Vorgehensempfehlungen für die Erarbeitung von Produkten
Zu jedem Produkt (mit Ausnahme einiger externer Produkte) stellt das V-Modell eine dazugehörige Anleitung bereit, die besagt, wie das Produkt erarbeitet und fertig gestellt werden kann. Diese Vorgehensempfehlungen werden Aktivitäten genannt und geben den Projektmitarbeitern eine Hilfestellung bei der Erarbeitung. Aktivitäten sind ausdrücklich nicht als bindende Vorgaben gedacht - wenn ein Bearbeiter durch ein anderes Vorgehen ebenso schnell oder sogar schneller zu einem qualitativ gleichwertigen Ergebnis kommt, ist das erlaubt und sogar erwünscht.
Aktivitäten sind analog zu Produkten ebenfalls hierarchisch strukturiert: Sie gehören jeweils der gleichen Disziplin an wie ihr zugehöriges Produkt und sind in einzelne Arbeitsschritte gegliedert.
Verantwortung und Mitwirkung von Rollen
Neben den Produkten und Aktivitäten umfasst ein Vorgehensbaustein Mitwirkungs- und Verantwortlichkeitsbeziehungen von Rollen. Zu Beginn eines V-Modell-Projektes (genauer: vor dem Entscheidungspunkt Projekt definiert) werden den einzelnen Rollen konkrete Personen oder Organisationseinheiten zugeordnet. Jedem Produkt ist dabei nach dem Tailoring genau eine verantwortliche Rolle zugewiesen. Darüber hinaus können beliebig viele weitere Rollen an einem Produkt mitwirken.
Insgesamt gibt ein Vorgehensbaustein somit vor, was in einem konkreten Projekt zu tun ist, also welche Produkte zu erstellen sind und welche Aktivitäten dabei durchzuführen sind. Darüber hinaus legt der Vorgehensbaustein fest, wer (beziehungsweise welche Rolle) für welches Produkt verantwortlich ist.