1 Teil 1: Grundlagen des V-Modells
1.3 Managementmechanismen und Projektdurchführung
1.3.5 Tailoring und projektspezifisches V-Modell
Das V-Modell ist ein allgemeiner Vorgehensstandard für Projekte, der in möglichst vielen unterschiedlichen Projektkonstellationen anwendbar sein soll. Daher ist es notwendig, dass sich das V-Modell an die konkreten Projektbedingungen anpassen lässt. Diese Anpassung wird Tailoring genannt und ist eine der wichtigsten Tätigkeiten des Projektleiters zur Vorbereitung des Entscheidungspunkts Projekt definiert.
Konkret umfasst das Tailoring beim V-Modell die Festlegung des Projekttyps, die Auswahl einer möglichen Projekttypvariante und die Belegung von Projektmerkmalen mit Projektmerkmalswerten. Aus dem Tailoring heraus ergeben sich direkt die im Projekt verfügbaren Vorgehens- und Ablaufbausteine und dadurch mittelbar die zu erarbeitenden Produkte, die zu besetzenden Rollen und die zu durchlaufende Projektdurchführungsstrategie.
Initiales, statisches Tailoring am Projektanfang
Das Werkzeug V-Modell XT Projektassistent unterstützt den Projektleiter beim Tailoring am Projektanfang (im Rahmen des Entscheidungspunkts Projekt definiert), indem er ihn durch die drei Tailoring-Schritte führt und ein projektspezifisches, „abgespecktes“ Vorgehensmodell generiert.
Abbildung 13 zeigt die ersten beiden Schritte des Tailorings mit dem Projektassistenten: Nach Auswahl des Projekttyps auf der linken Seite kann der Anwender auf der rechten Seite eine dazu passende Projekttypvariante wählen.
Abbildung 13: Auswahl von Projekttyp und Projekttypvariante im Projektassistenten
In der Folge kann der Anwender anschließend die noch benötigten Projektmerkmale mit Werten belegen und damit das Tailoring vervollständigen. Die eingegebene Begründung für die Wahl eines Projektmerkmalswerts wird im weiteren Verlauf automatisch in die Produktvorlage für das Projekthandbuch übernommen. Eine ausführliche Beschreibung mit weiteren Optionen bietet die V-Modell-Referenz Tailoring.
Nach dem Tailoring erzeugt der Anwender das sogenannte projektspezifische V-Modell. Dieses enthält ausschließlich die Inhalte, die für das Projekt relevant sind; Inhalte, die durch das Tailoring obsolet sind, werden entfernt. Es ist empfehlenswert, dieses projektspezifische Vorgehensmodell allen Projektmitgliedern zur Verfügung zu stellen.
Nachträgliches, dynamisches Tailoring während des laufenden Projekts
Während des Projekts kann sich herausstellen, dass die ursprünglichen Annahmen zum Tailoring am Projektanfang nicht mehr zutreffen. In diesem Fall muss das Tailoring dynamisch angepasst werden. Der Projektleiter kann beispielsweise werkzeuggesteuert mithilfe des Projektassistenten ein neues projektspezifisches Vorgehensmodell erzeugen. Die folgenden Fragestellungen werden aber vom Projektassistenten nicht abgedeckt und müssen daher manuell bzw. individuell geklärt werden:
- Welche Produkte bzw. Inhalte sind dazugekommen und müssen nun neu eingeplant und erarbeitet werden? Welche Produkte und Inhalte fallen weg? Welche Rollen müssen neu besetzt werden?
- Ist das Projekt nach der Änderung der Projektdurchführungsstrategie noch konform zu einem daraus abgeleiteten Projektplan? Falls nicht, wie kommt das Projekt wieder in Einklang mit der (neuen) Projektdurchführungsstrategie?
- Wurden in der Vergangenheit ggf. Produkte erarbeitet, die nach dem aktuellen Tailoring zusätzliche Themen erhalten? Ist es ggf. sinnvoll, diese Inhalte in die bereits fertig gestellten Produkte nachzutragen?
Die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem dynamischen Tailoring zeigen den hohen Stellenwert eines stabilen initialen Tailorings. Der Projektleiter sollte daher die Tailoring-Entscheidungen am Projektanfang gut überdenken und im Zweifelsfall mit einem erfahrenen V-Modell-Anwender abstimmen.