1 Teil 1: Grundlagen des V-Modells
1.3 Managementmechanismen und Projektdurchführung
1.3.10 Konfigurationsmanagement
Damit die Projektbeteiligten über den Arbeits- und Ergebnisstand des Projekts jederzeit im Bilde sind, müssen die erarbeiteten Produkte in all ihren Versionen sicher, eindeutig und wieder auffindbar verwaltet werden. Dies ist Aufgabe der Rolle KM-Verantwortlicher, die zu diesem Zweck die Produktbibliothek anlegt und betreut. Die Produktbibliothek gilt im V-Modell selbst als Produkt, stellt aber eigentlich nur die Sammlung aller (anderen) Produkte dar.
Um bei diesem wichtigen Thema Klarheit zu erzeugen, stellt Abbildung 21 zunächst den Zusammenhang zwischen den verwendeten Grundbegriffen dar:
- Produkttypen sind die im V-Modell beschriebenen Produkte. Das V-Modell kennt beispielsweise den Produkttyp Projektstatusbericht. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Produkttypen auch oft einfach als Produkte bezeichnet.
- Produktexemplare sind die im Projekt erarbeiteten Ergebnisse, die ebenfalls oft vereinfachen dals Produkte bezeichnet werden. Zu einem Produkttyp können im Allgemeinen beliebig viele Produktexemplare erarbeitet werden, beispielsweise „Projektstatusbericht vom Mai 2015“, „Projektstatusbericht vom Juni 2015“ usw.
- Produktversionen sind unterscheidbare und wieder herstellbare Bearbeitungsstände der Produktexemplare. Beispielsweise könnte es im Projekt die Produktversionen „Projektstatusbericht vom Mai 2015 V0.1“, „Projektstatusbericht vom Mai 2015 V0.2“ und „Projektstatusbericht vom Mai 2015 V1.0“ geben. Besonders wichtig ist die Versionierung für initiale Produkte, die es in jedem Projekt nur einmal gibt (hier fallen also die Begriffe Produkttyp und Produktexemplar zusammen) und die deshalb typischerweise öfter fortgeschrieben werden.
Abbildung 21: Produkttyp, Produktexemplar und Produktversion im Zusammenhang
Das Konfigurationsmanagement verwaltet alle Produktversionen nebst ihrer Bearbeitungszustände. Somit ist jederzeit ersichtlich und nachvollziehbar, zu welchem Produkttyp ein Produktexemplar gehört, welche einzelnen Produktversionen eines Produktexemplars existieren und in welchem Bearbeitungszustand (in Bearbeitung, vorgelegt, fertig gestellt) sich eine Produktversion befindet.
Darüber hinaus ist die Rolle KM-Verantwortlicher dafür zuständig, den aktuellen und zusammenhängen Arbeitsstand des Projekts regelmäßig zu sichern. Zu diesem Zweck erstellt er zu bestimmten Zeitpunkten sogenannte Produktkonfigurationen. Eine Produktkonfiguration enthält von jedem vorhandenen Produktexemplar jeweils eine ausgezeichnete Produktversion, die dem aktuellen Bearbeitungsstand entspricht. Produktkonfigurationen sollten mindestens zu jedem Entscheidungspunkt erzeugt werden; prinzipiell ist dies aber jederzeit möglich. Diese Regelung hat zwei entscheidende Vorteile:
- Der Projektverlauf und insbesondere die Entscheidungsfindung sind nachvollziehbar. Im Nachhinein ist immer ersichtlich, auf welcher Kenntnisbasis eine Entscheidung an einem Entscheidungspunkt getroffen wurde.
- Konsistente Projektstände sind wieder herstellbar. Gerade in der Systementwicklung kommt es vor, dass man sich durch eine falsche Entwurfsentscheidung in eine technische Sackgasse manövriert. Eine gesicherte Produktkonfiguration ermöglicht es in einem solchen Fall, mit den neuen Erkenntnissen auf einem gesicherten Stand aufzubauen und in die richtige Richtung weiterzuentwickeln.
In der Praxis empfiehlt sich die Verwaltung der Produktbibliothek mithilfe eines KM-Werkzeugs (siehe KM-Werkzeug). Während sich für das Management eines Projekts insbesondere leicht handhabbare Dokumentenverwaltungssysteme eignen, stehen für die Systementwicklung eine Reihe von leistungsfähigen Versionierungs- und Konfigurationsmanagementsystemen zur Verfügung, die auch die (beim Projektmanagement meist nicht benötigte) Erarbeitung von Varianten und nebenläufigen Entwicklungszweigen unterstützen.
Abbildung 22: Entscheidungspunkte und Produktkonfigurationen
Abbildung 22 stellt die gezeigten Zusammenhänge schematisch dar: Die Produktbibliothek wächst über die Zeit beständig an, da immer neue Produktversionen angelegt werden. Eine Produktkonfiguration bildet eine Momentaufnahme der Produktbibliothek zu einem gewissen Zeitpunkt.
Am Ende eines Projekts ergibt sich für die Rolle KM-Verantwortlicher noch eine weitere Aufgabe: Er muss entscheiden, was mit den Projektergebnissen in der Produktbibliothek nach dem Ende des Projekts geschehen soll. Prinzipiell gibt es hier drei Möglichkeiten: Projektergebnisse können zerstört oder gelöscht werden, wenn sichergestellt ist, dass sie nicht mehr benötigt werden. Projektergebnisse können archiviert werden, was insbesondere im Fall von Management-, Ausschreibungs- und Vertragsdokumenten erforderlich ist. Schließlich können Projektergebnisse an andere Projekte oder an den Systembetreiber weitergegeben werden, um das System weiter zu entwickeln oder zu betreiben.