1 Teil 1: Grundlagen des V-Modells
1.3 Managementmechanismen und Projektdurchführung
1.3.15 Zusammenarbeit mit IT-Organisation und Betrieb
Das V-Modell definiert auch die Zusammenarbeit des Projekts mit der umgebenden IT-Organisation und insbesondere mit dem IT-Betrieb. Dadurch werden bereits bei der Systementwicklung im Projekt die unterschiedlichsten Einflussgrößen berücksichtigt, die später für den Systembetrieb in der Linienorganisation notwendig sind.
Wie Abbildung 25 zeigt, müssen bereits bei der Projektdefinition und der Anforderungsfestlegung unterschiedliche Organisationsrollen und mit ihnen verbundene Vorgaben berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich beispielsweise um bestehende Referenzarchitekturen oder das IT-Sicherheitskonzept, das sich in den Anforderungen (Lastenheft) niederschlägt. Aber auch der Projektablauf und die Form der Qualitätssicherung müssen frühzeitig mit der umgebenden Organisation abgestimmt werden und finden sich im Projekthandbuch und im QS-Handbuch wieder. Diese Vorgaben sind im weiteren Projektverlauf Basis für den Vertrag mit dem Auftragnehmer. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass das vom Auftragnehmer entwickelte System im Einklang mit den bestehenden Regelungen und Konzepten steht und schließlich auch eingesetzt werden kann.
Abbildung 25: Einbeziehung der IT-Organisation bei der Anforderungsermittlung
Bereits in diesem Projektabschnitt sind auch Rückkopplungen aus dem Projekt heraus möglich: Beispielsweise kann sich bei der Anforderungsfestlegung herausstellen, dass durch das neue System Änderungen am Geschäftsprozess oder am IT-Sicherheitskonzept notwendig werden.
Um das vom Auftragnehmer entwickelte System abzunehmen und in Betrieb zu bringen, muss es zwei „Hürden“ überwinden, wie Abbildung Abbildung 26 zeigt:
- Zum einen muss das von Auftragnehmer gelieferte System den vertraglichen Vereinbarungen entsprechen. Zu diesem Zweck muss das AG-Projekt die Lieferung (von AN) prüfen und eine Abnahmeerklärung ausstellen.
- Zum anderen muss das das System vom IT-Betrieb akzeptiert werden. Dies wird dem Projekt durch eine Betriebliche Freigabeerklärung bestätigt. Für die Betriebliche Freigabe werden auch der Beitrag zum Datenschutzkonzept und der Beitrag zum IT-Sicherheitskonzept benötigt und geprüft.
Abbildung 26: Abnahme und betriebliche Freigabe eines Systems
Formal gesehen sind Abnahmeerklärung und Betriebliche Freigabeerklärung voneinander unabhängig: Der Systembetrieb kann freigegeben werden, obwohl das System die vertraglich vereinbarten Anforderungen nicht erfüllt. Andererseits kann der Auftraggeber ein System abnehmen, das nicht in Betrieb übernommen werden kann, weil es den Kriterien des IT-Betriebs nicht entspricht. Im ersten Fall muss das AG-Projekt sicherstellen, dass die Inbetriebnahme keine unbeabsichtigte „stille“ oder konkludente Abnahme nach sich zieht. Dies ist jedoch in den EVB-IT explizit ausgeschlossen. Im zweiten Fall hat das AG-Projekt ein echtes Problem, weil es nach der Abnahme die Verantwortung für das System übernommen hat und dann auf diesem „sitzen bleibt“.
Diese Unabhängigkeit von Abnahme und betrieblicher Freigabe spiegelt sich auch in der Projektdurchführungsstrategie wider. Wie Abbildung 27 zeigt, können die beiden zugehörigen Entscheidungspunkte unabhängig voneinander und in beliebiger Reihenfolge erreicht werden.
Abbildung 27: Ablauf für Abnahme und betriebliche Freigabe
Idealerweise können vertragliche Abnahme und betriebliche Freigabe allerdings gemeinsam geprüft und erteilt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn alle betrieblichen Anforderungen - wie in Abbildung 25 gezeigt - auch Vertragsbestandteil sind, was das AG-Projekt unbedingt anstreben sollte. In diesem Fall ist die Prüfspezifikation Inbetriebnahme (mit Ausnahme der Produkte Beitrag zum IT-Sicherheitskonzept und Beitrag zum Datenschutzkonzept) ein Teil der Prüfspezifikation Lieferung und die Entscheidungspunkte Abnahme erfolgt und Systembetrieb freigegeben können zu einem einzigen Meilenstein zusammengelegt werden.