1 Teil 1: Grundlagen des V-Modells
1.2 Grundkonzepte im Überblick
1.2.1 Produkt- und meilensteinorientierte Grundphilosophie
Ein wesentliches Prinzip des V-Modells ist seine ziel- und ergebnisorientierte Vorgehensweise. Das V-Modell beschreibt lediglich Aktivitäten und Arbeitsschritte, die unmittelbar zur Erstellung von Ergebnissen beitragen. Im Vordergrund der Projektdurchführung stehen die Fragen nach dem Was, dem Wer und dem Wann.
- Was: Welche Projektergebnisse müssen erarbeitet werden? Wie hängen sie voneinander ab?
- Wer: Welche Personen sind an einem Projekt beteiligt? Welche Ergebnisse erarbeiten sie? Welche Kompetenzen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten haben sie?
- Wann: Welche Zwischenziele bzw. Meilensteine gibt es? Welche Ergebnisse müssen zu diesen Meilensteinen jeweils vorliegen?
Diese Grundphilosophie ist an vielen Stellen im V-Modell sichtbar. Das Vorgehensmodell beschreibt sie mit Hilfe der Begriffe Produkt, Rolle und Entscheidungspunkt.
Abbildung 1: Die Zusammenhänge der wichtigsten Konzepte
Abbildung 1 zeigt diese drei Grundbegriffe und ihre Beziehungen im Überblick:
- Produkte stehen im Mittelpunkt des V-Modells. Als Produkte gelten alle im Projekt relevanten Zwischen- und Endergebnisse. Dies umfasst sowohl Dokumente aller Art (beispielsweise Projektpläne, Systemspezifikationen oder Besprechungsdokumente) als auch Systembestandteile wie Software und Hardware. Produkte werden entweder im Projekt erarbeitet oder von „außen“ geliefert (etwa Software als Beistellung eines Auftraggebers). Produkte stehen im V-Modell nicht für sich allein: Sogenannte Produktabhängigkeiten geben die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Produkten vor.
- Rollen definieren die Aufgaben, Befugnisse und erforderlichen Fähigkeiten der Projektbeteiligten. Für jedes Produkt ist genau eine Rolle verantwortlich. Beispielsweise ist die Rolle Projektleiter für die Produkte Projekthandbuch und Projektplan verantwortlich. Zusätzlich können an einem Produkt beliebig viele weitere Rollen mitwirken. Beispielsweise können ein QS-Verantwortlicher und der Systemarchitekt bei der Erstellung des Projektplans mitwirken. Im Projekt kann eine Person oder Organisationseinheit in der Regel mehrere Rollen besetzen, auch können die meisten Rollen mehrfach besetzt sein.
- Entscheidungspunkte definieren Zwischenziele und markieren das Ende von Projektabschnitten. Zu jedem Entscheidungspunkt überprüfen die Verantwortlichen, ob die zugehörigen Ergebnisse (Produkte) vollständig und qualitätsgesichert vorliegen. Auf dieser Basis wird entschieden, ob und wie das Projekt fortgeführt wird. So fordert das V-Modell beispielsweise zum Entscheidungspunkt Anforderungen festgelegt das Produkt Anforderungen (Lastenheft). Liegt dieses Dokument in ausreichender Qualität vor, wird der nächste Projektabschnitt freigegeben. Die Reihenfolge der im Projekt zu durchlaufenden Entscheidungspunkte gibt das V-Modell über sogenannte Projektdurchführungsstrategien vor. Beispielsweise legt die Projektdurchführungsstrategie AG-Projekt mit einem Auftragnehmer fest, dass nach dem Entscheidungspunkt Anforderungen festgelegt der Entscheidungspunkt Projekt ausgeschrieben erreicht werden muss.
Bei jedem der drei Grundbegriffe unterscheidet das V-Modell die abstrakte Regelungsebene des V-Modell-Standards von der konkreten Durchführungsebene in einem bestimmten Projekt:
- Auf der abstrakten Regelungsebene des Vorgehensmodells kennt das V-Modell Produkttypen, Rollen und Entscheidungspunkte und legt allgemeingültige Regeln zwischen diesen fest. Ein Beispiel für eine derartige allgemeine Festlegung ist „Ein Projektleiter (Rolle) stellt zum Zeitpunkt Projekt definiert (Entscheidungspunkt) das Projekthandbuch (Produkttyp) fertig."
- Auf der Durchführungsebene ergeben sich daraus jeweils konkrete Exemplare, nämlich Produktexemplare, Personen und Meilensteine. Beispielsweise könnte in einem bestimmten V-Modell-Projekt die Person Herr Amadeus Müller (als Projektleiter) zum Meilenstein 30.11.2015 (zu dem Entscheidungspunkt Projekt definiert) ein Projekthandbuch-Exemplar (zu dem Produkttyp Projekthandbuch) fertig stellen.